PHARMAZEUTISCHE MEDIZIN
 
                                    

Arzneimitteltherapie


Arzneimittelanwendung

In Deutschland und in der Europäischen Union gelten strenge Richtlinien zur Zulassung von Medikamenten.


Vom Wirkstoff zum Arzneimittel Hier mehr erfahren


Dennoch können seltene oder sehr seltene unerwünschte Wirkungen, Wechselwirkungen oder andere Gefahren im Zusammenhang mit der Arzneimittelanwendung in klinischen Prüfungen nicht alle erkannt werden. Denn manche Risiken werden erst nach langjährigen Anwendungsbeobachtungen bei den unterschiedlichsten Patiententypen offenbar.  Um die höchstmögliche Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten, sieht das Arzneimittelgesetz vor, dass nach der Zulassung eines Arzneimittels die Erfahrungen bei seiner Anwendung fortlaufend und systematisch gesammelt bzw. ausgewertet werden. Die pharmazeutischen Unternehmen sind nach dem Arzneimittelgesetz verpflichtet, bekanntgewordene Nebenwirkungen (u.a. durch pharmakodynamische und pharmakokinetische Untersuchungen) unverzüglich zu melden.


Pharmakodynamik

Der Begriff  Pharmakodynamik beschreibt die biologischen Effekte eines Arzneiwirkstoffes auf den Organismus. Dazu gehören die Wirkmechanismen, die dosisabhängigen Wirkungen und unerwünschten Nebenwirkungen.

Pharmakokinetik

Die Pharmakokinetik umfasst sämtliche Prozesse, denen ein Arzneistoff im Körper unterliegt, also seine Aufnahme (Resorption), die Verteilung im Körper (Distribution), der biochemische Um- und Abbau (Metabolisierung) sowie die Ausscheidung (Exkretion).




Medikamente im Alter

Mit dem Alter steigen  auch die Risiken von unerwünschten Wechsel- und Nebenwirkungen und damit einhergehenden Komplikationen.  Es ist wichtig, gerade in der klinisch-praktischen Tätigkeit  bei der pharmakologischen Behandlung Älterer Kenntnisse über Abbauwege der Medikamente sowie induktive und inhibitorische Effekte am Cytochrom P450 (CYP) zu haben. Besonders trifft dies auf Medikamente mit hoher Metabolisierungsrate und geringer Bioverfügbarkeit zu, die ein hohes potenzielles Risiko für Interaktionen aufweisen.

Es gibt mehrere Gründe für steigende Risiken.

  • Der Soffwechsel sowie die Niere und Leber arbeitet in einem älteren Organismus weniger gut als in einem jungen und kann daher Arzneimittelwirkstoffe langsamer ausscheiden. Im Alter steigt auch der Anteil an Körperfett, während der Anteil an Körperwasser sinkt. Das führt u.a. dazu, dass die Konzentration eines Wirkstoffs im Blut höher sein kann als bei jungen Menschen. Deshalb wirken  Arzneistoffe stärkerZudem reagiert der Organismus älterer Menschen empfindlicher auf die Wirkstoffe.
  • Altersbedingte Veränderungen sind Reduktion von Flüssigkeitsvolumen, Organdurchblutung, Muskelmasse, Serumalbumin und Zunahme des Körperfettgewebes. Es kommt zu verlängerter Verweildauer der Medikation im Körper, stärkerer Wirkung bei geringerer Dosierung und damit zur Zunahme von Nebenwirkung und Toxizität.
  • Im Alter tritt physiologisch eine Reduktion des Serumalbumins auf. Pharmaka binden jedoch an Albumin und nur die freie, die nicht gebundene Substanz ist dann pharmakologisch wirksam.
  • Die renale Elimination kann individuell altersbedingt verändert sein. Renale Durchblutung, Anzahl der Nephrone und glomeruläre Filtrationsrate nehmen ab. 
  • Besondere Bedeutung kommt der Biotransformation im Alter zu. Es kommt altersbedingt zur Reduktion der Lebergröße (bis 40 %), zur Abnahme von Leberdurchblutung (bis 30 %) und Enzymaktivität der  Cytochrome P450 (CYP)-abhängigen Phase-I-Reaktion und zur höheren Bioverfügbarkeit und langsameren Elimination lebergängiger Medikamente.
  • Die Konsequenzen von Nebenwirkungen (z.B. Schwindel oder Müdigkeit) sind für ältere Menschen deutlich schwerwiegender.
  • Das Risiko von Wechselwirkungen und somit unerwünschter Nebenwirkungen steigt mit der Anzahl der Medikamente, die Sie einnehmen müssen. Abgesehen von gut untersuchten Standardkombinationen ist es bereits ab vier Präparaten nahezu unmöglich, alle Wechselwirkungen zu überblicken. Im schlimmsten Fall kann es zu schweren Nebenwirkungen kommen. Zum einen können sich die Nebenwirkungen mehrerer Arzneimittelwirkstoffe aufaddieren, zum anderen können sich die Wirkstoffe der verschiedenen Medikamente gegenseitig so beeinflussen, dass unerwünschte oder gar gefährliche Wechselwirkungen auftreten:
  1. Wenn zum Beispiel alle Medikamente müde machen und die Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigen, kann dies zu ernsthaften Problemen führen. Bei älteren Patienten sind vor diesem Hintergrund u.a. Wirkstoffe mit sogenannten anticholinergen Nebeneffekten zu beachten. Dazu gehören Symptome wie Mundtrockenheit, Verstopfung, Sehstörungen und Steigerung der Herzfrequenz. Werden mehrere Wirkstoffe mit diesem Effekt eingenommen, kann sich ein anticholinerges Syndrom mit Schwindel, Sehstörungen, Verwirrtheit und Kreislaufinstabilität ausbilden.
  2. Werden beispielsweise Blutverdünner mit Schmerzmitteln kombiniert, kann es zu Magenblutungen kommen. Auch scheinbar harmlose Nahrungsergänzungsmittel oder Naturheilmittel ( z.B. Johanniskraut) können in Kombination mit anderen Präparaten zu ernsten Komplikationen führen oder dazuführen, dass andere Arzneimittel ihre Wirkung verlieren.


Medikamente in Schwangerschaft

und Stillzeit


Reproduktionstoxikologie

Die Reproduktionstoxikologie befasst sich mit den Auswirkungen von potentiell schädigenden Faktoren (z.B. Medikamente) auf die Fruchtbarkeit der Eltern und die Entwicklung des Kindes während der Schwangerschaft und Stillzeit. Insbesondere im ersten Schwangerschaftsdrittel während der sensiblen Phase der Organentwicklung können Medikamente fatale Auswirkungen haben, wie uns der Contergan-Skandal lehrte, und ist Vorsicht geboten.


Das sogenannte Basisrisiko

Wichtig zu wissen ist, dass kindliche Fehlbildungen oder eine Fehlgeburt nach einer medikamentösen Therapie der Mutter nicht ursächlich mit dem Arzneistoff zusammenhängen müssen. Etwa 3-5 von 100 Kindern weisen bei der Geburt relevante Fehlbildungen oder Störungen auf, die überwiegend nichts mit einer mütterlichen Medikamenteneinnahme zu tun haben. Etwa 15% aller diagnostizierten Schwangerschaften enden als Spontanabort. Beides stellt das sogenannte Basisrisiko dar, das auch für Schwangere ohne Medikamente gilt. Es ist nicht zu befürchten, dass heute unerkannt Arzneimittel im Umlauf sind, die so stark schädigen wie Contergan® (Thalidomid). Dennoch sind sehr viele Arzneimittel unzureichend in der Schwangerschaft untersucht. Doch auch Schwangere und Stillende müssen mit Arzneimitteln versorgt werden, denn unbehandelte Erkrankungen können sowohl die Mutter als auch das Kind gefährden. Da an Schwangeren aus ethischen Gründen keine randomisierten Studien durchgeführt werden, beruht das Wissen auf klinischen Erfahrungen.


Grundlegende Referenzen

Briggs GG, Freeman RK. Drugs in Pregnancy and Lactation. 11th ed. Philadelphia: Lippincott Williams & Wilkins; 2017.

Hale TW, Rowe HE. Medications & Mothers' Milk 2017. New York: Springer; 2017.

Schaefer C, Peters P, Miller RKM. Drugs during pregnancy and lactation, 3rd ed. Elsevier/Academic Press, New York 2015.

Schaefer C, Spielmann H, Vetter K, Weber-Schöndorfer C. Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit, 8. Auflage. Urban & Fischer, München 2012.

 
 
 
 
E-Mail
Anruf
Karte
Infos